Gerade saß ich mit meiner Mutter am Frühstückstisch und wollte einfach nur in Ruhe essen, da musste ich mir wieder ihre Projektionsgeschichten und Abwertungen anderer Menschen anhören. Ihr liebstes Opfer ist dabei mein Vater, über den sie täglich mehrmals schimpft und ihn teilweise auf‘s Übelste abwertet. Ich sitze dann da, schalte auf Durchzug und bin eigentlich nur noch körperlich anwesend. Emotional und geistig habe ich mich in mich zurückgezogen, um dem Gewitter zu entkommen.
Doch was passiert hier eigentlich genau und was macht das mit einem Kind, das es immer wieder ertragen muss, wenn die eigene Mutter andere geliebte Menschen aus der eigenen Familie abwertet, um ihren eigenen tief vergrabenen Schmerz nicht zu fühlen?
Ich habe schon viele Varianten des Umgangs damit durch, aber die ideale habe ich noch nicht gefunden. Als Teenager hatte ich eine stark rebellische Phase, in der ich mich gegen das toxische Regime meiner co-abhängigen Eltern durchsetzte. Doch das kostete mich selbst so unheimlich viel Energie, dass das keine dauerhafte Strategie sein konnte. Also gibt es da auch noch diesen Teil, der sich anpasst und einfach nur versucht nicht aufzufallen, um bei sich selbst zu bleiben und seine Energie nicht für Auseinandersetzungen zu verschwenden, die sowieso nichts bringen. Denn Kampf bringt absolut gar nichts, das durfte ich inzwischen über vier Jahrzehnte meines Lebens am Beispiel meiner Eltern sowie meines eigenen Umgangs damit erfahren.
Dann gibt es da noch den Mediator-Anteil, der versucht irgendwie zwischen den beiden Parteien zu vermitteln, möglichst neutral zu bleiben und sich auf keine Seite zu schlagen. Das ist angesichts des gravierenden Selbstbetrugs insbesondere meiner Mutter und dem enorm angepassten Wesen meines Vaters jedoch eine große Herausforderung. Denn ich sehe ja, woran es hakt und warum die Kommunikation gerade so eskaliert. Doch sobald ich beginne mich inhaltlich einzumischen und Konflikte aufzudecken, werde ich selbst zur Zielscheibe. Und das eine ist, ständig miterleben zu müssen, wie der eigene Vater emotional abgewertet und gering geschätzt wird, doch das andere diese Abwertung selbst zu ertragen, wenn ich die Situation erkenne und benenne. Denn an sich mache ich damit ja nichts Falsches, doch das habe ich immer geglaubt, weshalb ich irgendwann depressiv wurde und den Fehler bei mir gesucht habe, wo ich ihn aber nie gefunden habe.
Aus den Augen meiner narzisstischen Mutter sieht das jedoch anders aus, da ich in diesem Moment eine Bedrohung für ihr instabiles Ich und damit das falsche Spiel bin, das sie treibt, um ihren eigenen traumatischen Schmerz nicht spüren zu müssen. Und auch das habe ich bereits erlebt, was dann passiert, wenn ich genau das radikal ehrlich aufdecke und benenne was gerade passiert. Sie stürzt dann in eine tiefe depressive Krise, ist völlig paralysiert und dekompensiert. Ein schreckliches Erlebnis, über das ich bereits hier im Video berichtet habe. Psychologisch nennt sich das regredieren, also in einen früheren psychischen Entwicklungszustand zurückfallen. Man ist dann auf einmal wieder Kind und auf die Phase zurückgeworfen, in der das Problem ursprünglich einmal entstanden ist.
Als meine Mutter sich noch regelmäßig mit meiner Tochter getroffen hat, hat sie auch oft über mich geschimpft und gelästert. Das hat mir meine Tochter dann später erzählt und das hat auch für sie in diesem Moment eine große emotionale Belastung dargestellt, da sie nicht wusste, wie sie damit umgehen soll. Ich kenne diese Ohnmacht aus meinem eigenen Erleben, denn es ist schlimm, wenn meine eigene Mutter in meiner Gegenwart über meinen eigenen Vater herzieht und ihm alles Negative in die Schuhe schiebt. Das schwächt das eigene Männerbild, das sie offensichtlich irgendwann einmal geprägt hat. Umgekehrt sucht sie jetzt nach Gründen, warum sich meine Tochter seitdem nicht mehr bei ihr meldet, was wiederum in der nächsten Abwertungsschleife ihr gegenüber endet.
Das beste Mittel bei Narzissmus in der eigenen Familie ist Kommunikation und Transparenz der übrigen Familienmitglieder, um die emotionale Manipulation und damit das ständige gegeneinander Ausspielen zu unterbinden. Auch wenn sich dadurch das eigentliche Problem nicht eliminieren lässt, das darin bestünde, dass jeder sich selbst gut spürt und die eigenen Emotionen ehrlich benennt. Doch genau dazu ist das narzisstische Familienmitglied nicht fähig, dieser Ich-Bezug ist schlicht nicht möglich. Was also übrig bleibt, ist sich gesund abzugrenzen, nicht mehr auf neue psychologische Spieleinladungen einzusteigen und sich aus der Abwertungsspirale herauszuziehen. Das treibt zwar den Narzissten immer mehr ins emotionale Abseits, aus dem er sich früher oder später durch einen großen Krach wieder zu befreien versucht, da es das einzige Mittel ist, das er kennt: Drama.
Narzissmus bedeutet eine tiefe emotionale Spaltung in sich selbst, um das verkümmerte Klein-Selbst nicht spüren zu müssen, das sich im Grunde auch nichts anderes als Liebe wünscht. Dafür übernimmt das Größen-Selbst jedoch die Rolle der Selbstüberhöhung im Außen, um diese vermeintliche Schwäche nicht zuzulassen. „Angriff ist die beste Verteidigung“ ist wohl das bekannteste Motto eines jeden Narzissten, was sich an den zahlreichen Provokateuren und Kriegstreibern in unserer Gesellschaft widerspiegelt. Was meiner Erfahrung nach im Umgang mit solchen Menschen funktioniert, ist sich selbst ehrlich mitzuteilen (siehe Gopal-Video) und die eigenen Emotionen transparent zu machen, da so ein Kontakt auf der emotionalen Ebene möglich wird und der Narzisst zumindest in der Kommunikation erfährt, wie es seinem Gegenüber gerade geht. Dabei darf man jedoch nicht erwarten, dass die so geäußerten Wünsche auch erfüllt werden, da diesen Menschen Mitgefühl und Empathie fehlt.
Ich selbst habe es ausprobiert, als ich vor zwei Wochen wieder in das Haus meiner Eltern gekommen bin, nachdem ich zuvor ein halbes Jahr keinen aktiven Kontakt mehr mit meiner Mutter hatte. Da sie ja nicht verstand, warum ich mich von ihr distanziert hatte und es ihr auch nicht für sie nachvollziehbar erklären konnte, musste ich mich mit meinen gerade präsenten Gefühlen zeigen. Also habe ich meine tiefe Angst vor Ablehnung und nicht gut genug zu sein, das Schuldgefühl mich nicht gemeldet zu haben und die Scham, jetzt nach Hilfe fragen zu müssen, benannt und damit eine Tür zu ihrem Herzen geöffnet. Zwar musste ich mir trotzdem ein paar Vorwürfe und enttäuschte Erwartungen (siehe Video über den Umgang mit Erwartungen) anhören, doch diese waren im Vergleich zum sonst üblichen Maß absolut im erträglichen Rahmen.
Mein Fazit, was das für andere Beziehungen und den Umgang damit im Berufsleben bedeutet:
Trau dich, dich mit deinen wahren Bedürfnissen und Emotionen zu zeigen, auch wenn es sein kann, dass du damit auch bei manchen Menschen auf Ablehnung stößt! Solange du Angst haben musst, nicht deine eigene Wahrnehmung ausdrücken zu dürfen, um Teil des Rudels bleiben zu dürfen, bist du von dir selbst getrennt und kannst nicht in deinem vollen Potenzial leben. Ich habe das viel zu lange gemacht und möchte das nicht mehr, deshalb lerne ich das in allen meinen Beziehungen zu zeigen. Auch wenn sich das Anfangs ungewohnt und „falsch“ anfühlen mag, ist es der einzig richtige Weg, um wieder im Einklang mit dir selbst zu leben und auch das zu bekommen, was du dir wirklich wünschst.
Wenn du dir dabei Unterstützung wünschst, wieder mit dir selbst in Kontakt zu kommen oder solche Erfahrungen zu transformieren, teile deine Gedanken im Kommentar oder schreibe mir eine E-Mail. Gerne begleite ich dich ein Stück dabei.
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